Cristina Messnik  

                                                                                         

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Guests-Friends

Ich erinnere mich gut an die Totenwache. 

Mein Vater lag auf dem Wohnzimmertisch im Sarg und wir, meine Cousinen, Tanten und Onkeln, versuchten trotz allem im Schlafzimmer zu schlafen. Von wegen, es war kaum möglich! Irgendwann begannen sie Geschichten zu erzählen, was es noch schlimmer machte. Nun, früher oder später, schliefen wir doch ein. Mein Vater, ließen sie nicht allein. In Turnus, zu zweit oder zu tritt, standen ihm bei. Manchmal, tagsüber, in ruhigen Momenten war sogar ich mit ihm allein. Ich hatte solche Angst...

Vor dem Wohnzimmerfenster, in einem Sarg auf dem Tisch, lag mein Vater still, in einem kürzlich gekauften Anzug mit einem Hut auf dem Kissen neben seinem Kopf. Ich verstand es nicht, welch Zweck der Hut nur hatte. Die Farbe des Anzuges auch. Ich hatte tata eher in einem dunklen Grau gesehen, aber doch nicht in Milchkaffee. Mama wollte, dass wir Fotos neben den Sarg machen und bestellte ein Fotograph. Und abwechseln alle, mal in der Gruppe oder allein, geradestehend oder mit einer Hand auf dem Sarg und tata anschauen, mussten wir in die Kamera schauen. Als ob das noch nicht genug wäre, wählten sie einen Fotografen ohne Hand. Er war der Großvater einer Kindergartenfreundin, er kam immer mit dem Fahrrad und holte Giorgiana vom Kindergarten ab. Aber, dass ihm eine Hand fehlte und der verbleibende Arm mit schwarzem Plastik bedeckt war, machte mir noch mehr Angst. An seinen letzten Tag im Haus, der Sarg begann sich zu bewegen und meine Angst vergrößerte. Freunde trugen ihm heraus über dem Stiegenhaus und blieben stehn vor unserem Blockgebäude. Die erste Station. Wir waren viele um ihm herum und heulten alle, einige riefen sein Namen und schrien ihm zu “er solle noch nicht gehen”.  

Und so begann der Friedhofgang. Die Beerdigung war groß. Mein Vater, kannten viele. Wie es üblich war den Menschen ein letzter Gang zu ermöglichen, so wurde tata von einem Lastwagen getragen, oben offen und mit mir neben dem Sarg. Mama wollte mich dort haben. Unten der Rest folgte schweigsam in schwarz, drei Pfarrer und die ganze Suite marschierten vor dem Auto. Viel Weinen war zu hören, vor allem dann, wenn der klaxon, die Hupe, mehrerer Autos still war. Von vielen Seitengassen kamen Autos und hupten und reihten sich nach den Menschen ein. Der klaxon war so laut, dass keine unberührt blieb. Dazu eine Gruppe von Musikanten, Romas, begleiteten der Gang. Mein Vater liebte das Akkordeon. 

Eine Station nach der anderen wurde eingelegt. Am Friedhof angekommen, begann das Ganze noch schlimmer zu werden. Der Sarg bekam ein Deckel. Sie schlugen Nägel ein und ließen ihn langsam hinnunter. All die drei Tage bei uns daheim der Sarg blieb offen. Beim Rausgehen, am dritten Tag, veränderte sich das Gesicht meines Vaters um ein wenig und dazu wurde gesagt: “dem Menschen tut es leid unsere Welt zu verlassen”. Wir haben alle geheult und wollten mit ihm gehen, während wir Erde in den Händen hielten und Blumen in das Grab warfen: “möge diese Erde über ihm leicht sein”, wurde gerufen und es begann anschließend stark zu gewittern. Auch hier wurde erwähnt: “für dieser Mann sogar der Himmel weint”.
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